Gyrocopter - Hubschrauber oder Flugzeug
Vergessen Sie alles, was Sie bisher beim Ultraleicht-Fliegen erlebt haben, denn der Tragschrauber mit seiner sagenhafte Wendigkeit ist einzigartig in der Fliegerei.
Auch ist er besonders sicher. Der Motor dreht nur den Propeller (nicht den Rotor!) und dient ausschließlich dem Vortrieb. Selbst bei einem Motorausfall schwebt der Tragschrauber sanft zu Boden.
Der Tragschrauber reagiert kaum auf Turbulenzen. Das liegt daran, dass die Blattspitzen des Rotors sich mit fast 700 km/h durch die Luft bewegen.
Dadurch bringt ihn eine Böe von 50 km/h nicht aus der Ruhe.
Aus diesem Grund kann er auch bei schwierigen Wetterbedingungen sicher geflogen werden.
Der Tragschrauber oder auch Gyrokopter ist eine Mischung aus Hubschrauber und Flächenflugzeug
Vorteile:
- kein Überziehen
- kein Trudeln
- minimale Startstrecken (10 ... 150 m)
- praktisch keine Landestrecke
- extremer Langsamflug möglich
- geringere Festigkeitsprobleme
Tragschrauber haben einen großen Kostenvorteil gegenüber dem Hubschrauber. Die Anschaffungs bzw. Betriebskosten betragen nur etwa 10 % eines Hubschraubers.
Nachteil:
- mehr Widerstand
- schlechter Gleitwinkel 1:4
Des weiteren haben sie den Nachteil, daß sie nicht Hovern (im Stillstand fliegen), rückwärts fliegen und auch nicht senkrecht starten können. Daher ist eine Bergung von Personen oder Lasten im Flug nicht möglich.
Sind Tragschrauber sichere Fluggeräte?
Tragschrauber sind sehr sichere Fluggeräte (mängelfreie Konstruktion und ordentliche Instandhaltung vorausgesetzt). Sie müssen immer mit positiver Belastung geflogen werden. So wie es im Straßenverkehr tödlich ist, gegen einen Brückenpfeiler zu fahren und bei Flächenflugzeugen tödlich ist, in geringer Höhe zu überziehen, ist es bei Gyrokoptern tödlich, den Knüppel, insbesondere bei Vollgas schlagartig nach vorne zu drücken. Bei schlechten Konstruktionen ist der kritische Punkt schneller erreicht, bzw. wird durch (PIO (pilot induced oscillations), zu starkes Ziehen und Nachdrücken durch verzögerte und zu starke Reaktionen auf Bewegungen um die Querachse gefördert.
Der richtige Umgang mit diesem Gerät muss deshalb in guten Flugschulen ausgiebig trainiert werden.
Wie funktioniert ein Gyrocopter?
Der Tragschrauber - halb Hubschrauber, halb Flächenflugzeug
Wie funktioniert er?
Der Tragschrauber (Gyrocopter) besitzt oberhalb des Fahrwerks einen kardanisch aufgehängten Rotor. Der Rotor dreht sich um eine senkrecht stehende Achse (Hochachse). Durch eine auskuppelbare Wellenverbindung wird der Rotor auf die zum Start erforderliche Rotordrehzahl gebracht. Sobald die erforderliche Rotordrehzahl erreicht ist, wird diese Verbindung ausgekuppelt und die Motorleistung wirkt ausschließlich auf die rückwärtig platzierte Luftschraube mit waagerechter Drehachse gegeben. Der Tragschrauber wird horizontal beschleunigt, ab diesem Zeitpunkt wird der Rotor nur vom anströmenden Fahrtwind in Umdrehung gehalten. Dieser Betriebszustand wird mit Autorotation bezeichnet. Der frei im Luftstrom umlaufende Rotor ersetzt einen festen Tragflügel, hat gegenüber diesem jedoch den Vorteil, dass er auch bei geringer Fluggeschwindigkeit infolge der Eigendrehung Auftrieb erzeugt.
Warum fliegen Tragschrauber?
Beachten Sie im Bild den schräg gegen den Fahrtwind geneigten Rotor:
Zum Vergleich die Kräfte, die an einem aerodynamischen Profil wirken:
Die anströmende Luft (dunkelblau) erzeugt einen Widerstandsvektor (hellblau) in Anströmrichtung und einen Auftriebsvektor (rot), der per Definition senkrecht auf der Anströmrichtung steht. Auftriebs- und Widerstandsvektor spannen ein Parallelogramm auf und bilden den resultierenden Vektor der Gesamtkraft (grün), die das Profil bei der Anströmung erzeugt. Bei Flugzeugen mit Motor wirkt im Horizontalflug der Propellerschub entgegen dem "bremsenden" Widerstandsvektor.
hellblau = Widerstandsvektor, rot = Auftriebsvektor, grün = Resultierende, dunkelblau = anströmenden Luft
Wird der Anstellwinkel des Profils jetzt erhöht, ergibt sich folgendes Bild:
Das Parallelogramm ist also gleich geblieben, lediglich die Beträge der Kräfte haben sich geändert. Der Widerstandbetrag ist gewachsen und der Auftriebsbetrag ebenso. Mehr Widerstand bedeutet mehr erforderliche Motorleistung, mehr Auftrieb bedeutet mehr Steigen (oder weniger Sinken).
hellblau = Widerstandsvektor, rot = Auftriebsvektor, grün = Resultierende, dunkelblau = anströmenden Luft
Stellen wir uns vor, die Tragflächen seien nicht fest am Flugzeug "angeschraubt", sondern über einen Rotorkopf drehbar gelagert, ergibt sich folgendes Bild:
Der Auftriebsvektor versucht also über seine Komponente in der Rotorebene das Profil nach oben zu ziehen = das Rotorblatt nach vorne zu ziehen. Der Rotor wird beschleunigt! Dem entgegen wirkt die Komponente des Widerstandsvektors in der Rotorebene. Sind beide Komponenten gleich groß, bleibt die Rotordrehzahl konstant.
Weil Widerstand und Auftrieb untrennbar miteinander gekoppelt sind, bleibt die Rotordrehzahl während des Fluges weitgehend konstant: Reduziert sich der Anstellwinkel, sinkt der Widerstand zusammen mit dem Auftrieb und umgekehrt. Es herrscht Kräftegleichgewicht.
Mittlerer Rotorgeschwindigkeit: 150 m/s
Anströmende Luft bei 140 km/h: 41 m/s
Anströmende Luft bei 20 Km/h: 5,5 m/s
Die Grafik gilt für ein voreilendes Rotorblatt, ein voreilendes Rotorblatt bekommt mehr Fahrtwind, ein zurückeilendes weniger. Die Rotordrehzahl muss also so hoch sein, dass auch beim zurückeilenden Rotorblatt die Anströmgeschwindigkeit noch so hoch ist, so dass das Blatt keinen Strömungsabriss erleidet, auch nicht beim Startlauf, wo es durch die Fahrtzunahme des Gesamtsystems noch weniger "Wind auf die Profilnase" bekommt. Deshalb ist es zwingend erforderlich, den Rotor vor dem Start über eine kritische Mindestdrehzahl zu beschleunigen (Vorrotation, von Hand oder per "Prerotator"). Andernfalls ist kein Start möglich. Während des Startlaufs beschleunigt der Rotor mit zunehmendem Fahrtwind solange bis der Auftrieb ausreicht, den Tragschrauber in die Luft zu heben, genau wie bei einem Flächenflugzeug.
Autorotation im Flug,
wenn der Gyrocopter vorwärts fliegt, der Rotorkopf ist positiv angestellt, (nach hinten) Die äußere Region des Blattes erzeugt Auftrieb zu Fliegen und die innere Region liefert die Kraft zum Drehen des Blattes. Die Region im Bereich der Rotornabe hat keine Wirkung. Im Horizontalflug findet eine Umverteilung der Autorotativen Zone statt, das vorlaufende Blatt erzeugt mehr Auftrieb, das nachlaufende Blatt erzeug mehr Kraft zur Rotation.
Autorotation senkrecht,
wenn der Gyrocopter sich senkrecht nach unten bewegt. Die äußere Region des Blattes erzeugt Auftrieb zum Fliegen und die innere Region liefert die Kraft zum Drehen des Blattes.
Die Region im Bereich der Rotornabe hat keine Wirkung weil dort die relative Windgeschwindigkeit sehr klein ist.
Warum fliegen Tragschrauber stabil und sicher?
Der Rotor ist ein Kreisel, Kreisel neigen dazu ihre Lage im Raum beizubehalten. Wirkt auf einen Kreisel eine Kraft, "weicht er der Kraft in der Drehebene aus", er präzediert. Das voreilende Rotorblatt erzeugt mehr Auftrieb als das Rückeilende. Wäre es kein Kreisel, würde die Rotorebene nach lins kippen (in der Rotation eilt das rechte Blatt voran).
Wegen der Kreiselwirkung wird der Tragschrauber jedoch vorne angehoben. Diesem Drehmoment um die Querachse wirkt ein mit zunehmendem "aufbäumen" ein ebenfalls zunehmendes Gegenmoment der Gewichtskraft entgegen ( Flugzeugrumpf + Pilot + Motor + Leitwerk + Kraftstoff hängen wie ein Pendel an der Rotorscheibe).
Mehr Schub vom Motor bedeutet mehr Geschwindigkeit = mehr Auftrieb. Weniger (oder kein) Schub vom Motor bedeutet weniger Geschwindigkeit = weniger Rotordrehzahl = weniger Auftrieb. Reicht die Rotordrehzahl nicht mehr aus, die Flughöhe zu halten, geht der Tragschrauber in einen Sinkflug über: Der Anstellwinkel steigt wieder an, der Rotor wird auf Drehzahl gehalten. Ein Tragschrauber kann also niemals "überzogen" werden, er kann gar nicht anders, als sich seine Fahrt zu holen.
Wann verliert der Tragschrauber seine Stabilität?
Wenn der Rotor in einen negativen Anstellwinkel gerät, die Summe aus Luftströmung durch die Drehung um die Rotorachse und Fahrtwind also so sehr "schräg von oben" kommt, zieht die resultierende Auftriebskraft (bzw. deren Komponente in Rotorebene) das Blatt nicht mehr nach vorne, sondern nach hinten:
Das Blatt wird also durch die Auftriebs- und die Widerstandskraft abgebremst, bzw. die Auftriebskraft wird sehr klein im Verhältnis zur Widerstandskraft oder zeigt nach unten, wie im Bild dargestellt. Das bremst den Rotor stark ab, unterschreitet der Rotor seine kritische Mindestdrehzahl, kommt er auch nicht wieder auf Touren und der Pilot freut sich, wenn er ein funktionierendes Gesamtrettungssystem zur Verfügung hat.
hellblau = Widerstandsvektor, rot = Auftriebsvektor, grün = Resultierende, dunkelblau = anströmenden Luft
Es gibt noch einen weiteren, unangenehmen Effekt. Im Normalflug schiebt der Propellerschub "zwischen" Rotorwiderstandsvektor und dem Widerstand von Pilot + Rumpf + Fahrgestell. Wird der Anstellwinkel kleiner, sinkt zunächst auch der Widerstand des Rotors und geht auch gegen Null. Bei vollem Schub dreht der Tragschrauber also um das Zentrum seiner Widerstandskräfte: Der Tragschrauber kippt vorne über. Was schlagartig zu einem (sehr) negativen Anstellwinkel der Rotorblätter und zu den oben erläuterten, hässlichen Effekten führt.
Ein Dankeschön an Walter Schmidt, daß wir seinen Artikel hier verwenden dürfen.